Erinnerungen an eine vergessene Zeit

Die wörtliche Bedeutung von „Religion“ ist „Rück-verbindung“ oder Wiederverbindung mit dem Göttlichen, sowohl in uns, als auch dem Göttlichen in der Schöpfung. Manche Orte sind dafür besonders gut geeignet. Sie sind noch nicht so überlagert von unserer Zivilisation mit all ihren Begleiterscheinungen. Oft sind es magische Kraftplätze, die unser Innerstes auf eine tiefe Art berühren.

In Kombination mit „Sati“, was u.a. „sich erinnern“ bedeutet und sich in einem bewussten Erleben im gegenwärtigen Moment ausdrückt, können wir so – neben der stillen Meditation auf dem Kissen – die Bereiche in uns zugänglich machen, die alles enthalten, wonach wir uns sehnen. Gleichzeitig üben wir dadurch unsere Spürsamkeit und das Lauschen für die Botschaften der Natur.  So kann es uns auch gelingen, Impulse und Ideen für die Gestaltung einer Zukunft in unseren Herzen zu entwickeln – für ein friedliches Miteinander im Einklang mit der gesamten Schöpfung.

Natur und steinzeitliches Erbe auf der Schwäbischen Alb

Unsere diesjährige Forschungsreise führte uns zunächst in das Achtal der schwäbischen Alb. Die Blautopfquelle mit seiner türkis-grünen Farbe und seinen zauberhaften Lichtreflexionen regte unsere Vorstellungskraft an, wie wohl die Menschen der Steinzeit in dieser Region gelebt hatten und welche Beziehung sie zu diesem spürbar magischen und lebensspendenden Ort hatten.

Nicht allzu weit vom „Blautopf“ entfernt, wurde die älteste von Menschenhand angefertigte Frauenstatuette gefunden. Sie ist ca. 40 000 Jahre alt. Und sie ist nicht die einzige. In ganz Europa, und darüber hinaus, wurden Frauen oder „das Weibliche“ aus verschiedensten Materialen symbolhaft geformt und nahmen offenbar eine besondere Rolle in den damaligen Gesellschaften ein. Das Weibliche als Symbol für den fortwährenden Kreislauf des Lebens und die lebensspendende Kraft von Mutter Erde wurden bis zu Beginn des Patriarchats in der späteren Jungsteinzeit über viele Jahrtausende hochgeschätzt und verehrt. In einzelnen indigenen Kulturen ist das auch heute noch der Fall.

Neben den Erkenntnissen, die man im Museum und in Büchern gewinnen kann, versuchten wir in Höhlen und Schluchten auch unsere intuitiven Fähigkeiten und unsere Vorstellungskraft wieder zu schulen. Einen Eindruck von dunkler, primitiver Steinzeit stellte sich bei uns dabei nicht ein, sondern eher ein Gefühl eines durchaus harten Lebens, das jedoch durch sein starkes Angebundensein an das Natürliche, Ursprüngliche und Einfache auch von Ausgeglichenheit und einer gewissen Leichtigkeit geprägt war.

Als besonders kraftvollen Naturort empfanden wir den Uracher Wasserfall. Wir brachen schon früh auf, es regnete und stürmte, die Stimmung jedoch war geheimnisvoll und wir begegneten auf unserem Weg im grün glänzenden Moos sechs leuchtenden Feuersalamandern. Das 37m in die Tiefe stürzende Wasser erregte in uns eine staunende Ehrfurcht vor der Schönheit der Natur und der Kraft der Elemente. Die gesamte Wasserlandschaft unterhalb des Wasserfalls fühlte sich mystisch und lichtvoll an. Wir verweilten für einige Zeit an diesem Ort und fanden innere Ruhe und ein wohliges Gefühl von Geborgenheit inmitten dieses gewaltigen Naturschauspiels.

Und weiter ging’s zur Donau; sie nahm auch schon in der Jungsteinzeit eine besondere Rolle ein, da alt-europäische Friedenskulturen vor kriegerischen Einwanderern aus dem Osten entlang der Donau flussaufwärts flohen. Diese „Donauzivilisationen“ konnte so ihre egalitäre und lebensbejahende Gesellschaftsform weiterhin aufrechterhalten. Wetterbedingt verbrachten wir diesmal nur eine kurze Zeit im oberen Donautal, aber wir wollten ihren Ursprung kennenlernen. So fuhren wir nach Donaueschingen. „Brigach und Breg bringen die Donau zu Weg“ kennt ihr vielleicht noch aus der Schule. Der von Menschenhand stark überformte Zusammenfluss wurde vor 2 Jahren renaturiert und es war wunderschön, das aufkeimende Leben von jungen Weiden, saftigen Gräsern, das Getummle der Enten und einer frisch gepflanzten Friedenslinde zu erleben. Der Donauursprung stellt nun eine kleine Naturoase inmitten von Hauptverkehrsstraßen und Reitplätzen dar.

Im Herzens Frankreichs

Unsere nächste Station war Frankreich bei unseren Freunden Peter und Daniela. Voller Freude pflanzten wir bei ihnen Roland’s ersten Friedensbaum (siehe separater Bericht) und besuchten gemeinsam den beeindruckendsten und stärksten Kraftort unserer letztjährigen Forschungsreise – die Pierres Jaumatres, wunderschöne natürliche Steinformationen. Unser Eindruck war wieder, dass dies ein Ort der Begegnung war, an dem Frieden mithilfe der starken Friedensenergie dieses Ortes gestiftet und gestärkt wurde.

Die verschiedenen Steinformationen sind durch zarte lila Heideblüten, Farne und moosgepolsterte Stellen zwischen langem weichem Gras voneinander getrennt, so dass der Hügel, auf dem sich die Pierres Jaumatres befinden, wie ein größerer heiliger Landschaftstempel anmutete. Wir kehrten zu zweit ein paar Tage später in der Vollmondnacht an diesen Ort zurück. Die Stille zusammen mit den umherwabernden Nebelschwaden in der Morgendämmerung erfüllten unsere Herzen wieder einmal mit Dankbarkeit und Liebe für diese beglückenden Geschenke der Natur.

Megalithkulturen in der Bretagne

Unsere weitere Reise führte uns in die südliche Bretagne nach Morbihan, einem „Hotspot“ der jungsteinzeitlichen Megalith-Kulturen (Mega = groß, lithos = Stein). In diesem Gebiet befinden sich besonders viele von Menschen errichtete Steingräber, Kultplätze, Formationen, von denen heute leider nur noch ca. 15-20 % erhalten sind.

Wir steuerten Carnac an, das für Steinreihen aus Megalithen bekannt ist. Was uns hier erwarten sollte, überstieg unsere Vorstellungskraft. Als wir auf ein endloses Feld mit unzähligen großen aneinandergereihten Steinen blickten, waren wir vollkommen ergriffen. Die Steinreihen erstrecken sich über 4km und bestehen heute aus einzelnen noch erhaltenen Feldern mit bis zu 13 Steinreihen und insgesamt ca 3000 Steinen. Diese sind zwischen einem halben Meter und bis zu 3-4m hoch. Sofort stieg in uns die Frage auf: was veranlasste die Menschen vor ca. 5500 – 2500 Jahren vor unserer Zeit dazu dieses gigantische Werk zu bauen und wie bewerkstelligten sie das?

Die stark naturwissenschaftlich geprägte Archäologie der heutigen Zeit steht vor vielen, mit ihren Methoden nur schwer oder teilweise beantwortbaren Fragen und scheinen dabei auszublenden, dass Menschen in anderen Epochen vielleicht noch ganz andere, technologieunabhängige Fähigkeiten gehabt haben könnten. Auch zu Zeiten des Buddha waren die „Abhiññās“ (übersinnliche Fähigkeiten), wie z.B. Dematerialisation oder Levitation, keine versponnene Esoterik, sondern Fähigkeiten, die man durch Geistesschulung entwickeln konnte.

So viele Menschen begeben sich jedes Jahr in das Feld dieser gigantischen Steinreihen. Wäre es nicht eine wunderbare Ergänzung der bestehenden Forschung, wenn wir wieder spüren und lauschen lernen und unsere Erkenntnisse dann auswerten? Wir verbrachten mehrere Tage im Energiefeld dieser Steinreihen und besuchten zudem weitere der zahlreichen heiligen Stätten dieser jungsteinzeitlichen Kultur. Und wir spürten, lauschten und wurden still. Wir schrieben und ließen uns von der Friedenkraft dieses sakralen Ortes durchdringen und im Herzen berühren. Es machte viel Freude, mit der noch viel leichteren, ursprünglicheren und naturverbundenen Energie einer so alten Kultur in Kontakt zu kommen. Gleichzeitig spürten wir, dass die Menschen mit den Steinreihen vielleicht auch eine Botschaft für spätere Generationen hinterlassen wollten, die drohende dunkle Zeiten lange überdauern würde.

An manchen Orten konnten wir auch wieder Petroglyphen (Steingravuren) bestaunen, deren Funktion und Botschaft auch immer noch voller Rätsel sind.

Uralte Baumwesen am Wald von Broceliande

Neben den Steinen, die eine starke Ruhe, Gelassenheit und Zeitlosigkeit ausstrahlten, durften wir auch drei weisen, alten Baumwesen begegnen. Eine ca. 500 Jahre alte Eiche, die mitten in einem Holzkohleherstellungsgebiet überlebte, eine noch viel ältere, verknorrte Eiche am Rande eines Dorfes und eine riesige, fast schon abgestorbene Kastanie mit einem Antlitz, dass einem Einhornkopf glich. Obwohl fast jeder Baum für eine schöne Begegnung geeignet ist, war es für uns schon etwas Besonderes und auch Seltenes, mit so alten Bäumen in Kontakt zu gehen. Die Rinde der ältesten Eiche veranschaulichte uns die Schönheit eines gelebten Lebens mit all seinen Narben und Zeichen.

Resumee

Durch diese Reise wurde für uns noch mehr bewusst, wie wertvoll neben der klassischen Meditation das In-Kontakt-Gehen mit anderen Lebensformen ist. Es ist zum einen eine enorme Unterstützung, um mit unserem Innersten in Berührung zu kommen und um in einen inneren Frieden und ein Gefühl der Verbundenheit und Liebe für das Leben einzutauchen. Gleichzeitig kann uns der Kontakt mit Bäumen, Steinen und alter, friedliebenden Kulturen neue Perspektiven und ein Tor der Inspiration eröffnen. So kann auch ein neues und zugleich ursprüngliches Menschsein zur Entfaltung kommen, das uns ermöglicht, unseren Platz im großen Lebensgefüge im Einklang mit unserer Mitwelt (wieder) einzunehmen.

– von Tanja Kaller & Roland Nyanabodhi